Habibi? Salam! Schalom! – Ein jüdisch-muslimisches Fest im Zeichen des Dialogs

Stadthallenpark Chemnitz

 

Die Notwendigkeit eines Dialogs wird besonders in Krisenzeiten virulent. Doch wo können wir anknüpfen, wenn beide Seiten traumatisiert sind und miteinander kämpfen? Wo sind Auswege zu erahnen? Wer spricht überhaupt mit wem?

Unser über einige Jahre gewachsenes experimentelles Format, dass sich dem jüdisch-muslimischen Dialog widmet, steht in diesem Jahr vor besonderen Herausforderungen und noch nie war es so schwer. Dennoch ist es wichtiger denn je den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, der sich seit dem 07. Oktober wegen der noch immer zurück gehaltenen israelischen Geiseln zu einem unauflösbaren Knäuel der Gräuel verknotet zu haben scheint.

Wir folgen dabei dem roten Faden der Literatur, die immer schon das Schicksal Einzelner in den Blick nimmt und Empathie auf eine versöhnlichere Weise verinnerlicht hat, als Politik das je könnte. Wir wollen das Gemeinsame in den Geschichten aufspüren, um die paranoischen Mythen vom jeweils Anderen abzubauen und eine ebenbürtige Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen. Und natürlich geht dies nicht ohne gemeinsames Essen und Tanz. Musik ist ein leichtfüßiger Türöffner und nichts lockt behender über Schwellen, als eine vertrauliche Melodie.

Mit dem Arabisten Ruben Schenzle, den Dichtern Ali Al Kurdi, Thaer Ayoub und Mati Shemoelof, der Schauspielerin, Sängerin und Autorin Nirit Sommerfeld, der Juniorprofessorin für Judaistik Yamima Hadad, der vierköpfigen Band um Riff Cohen, sowie der ebenso vierköpfigen Band Izouran und der auch vierköpfigen Band Yemen Blues gehen wir auf eine imaginäre Odysee, die gemeinsame Suche nach einer (Gesprächs-) Kultur, die nicht länger von nationalen Mauern eingeschlossen ist. „Sie ist völlig offen wie das Zeit Abrahams, das in alle vier Windrichtungen offenstand.“ (Mati Shemoelof)

 

Organisiert von Thaer Ayoub und Chris Münster

 

PROGRAMM:

13:00 Uhr: Lesend durchs Bermudadreieck: Schoah – Nakba – Holocaust in Romanen aus Israel, Palästina und Deutschland.

Wer sich heute in den Debatten um einen verantwortungsvollen Umgang mit Erinnerung unter Deutschen, Israelis und Palästinenser(inne)n zu Wort meldet, begibt sich auf tückisches Terrain. Wie ein Bermudadreieck stecken die jeweiligen Bezugspunkte – Schoah, Nakba, Holocaust – einen historischen Bereich ab, in dem uns die Orientierung verloren geht. Wo die Politik (oft genug) scheitert, kann Literatur als Kompass dienen. Die ihr innewohnende Kraft aus Imagination und Fiktion ermöglicht neue Sichtweisen, um überhaupt wieder eine Vorstellung von wechselseitiger Annäherung und Empathie zu gewinnen.

In Form eines Teach-Ins gibt Kulturwissenschaftler und Arabist Ruben Schenzle einen einführenden Überblick mit Raum zur Diskussion. In anschließender Lesung und Gespräch wollen wir gemeinsam literarische Stimmen zu Gehör bringen, die sich den Traumata von Schoah, Holocaust und Nakba aus grenzüberschreitender Perspektive nähern. Darunter Orna Akad (Wadi Milech, Israel), Ghassan Kanafani (Rückkehr nach Haifa, Palästina) und Daniel Speck (Jaffa Road, Deutschland).

14:30 Uhr: Izouran ist eine marokkanische Experimental-Pop-Band, die von dem marokkanischen Multiinstrumentalisten und Songschreiber Hicham Ounamir und dem polnischen Schlagzeuger Borys Slowikowski gegründet wurde. Gemeinsam mit dem in Berlin lebenden Schlagzeuger Brendan Dougherty und der Geigerin Penelope Gkika arbeiten sie mit Originalmaterial, das tief in der traditionellen marokkanischen Musik verwurzelt ist, und erforschen deren organisches, experimentelles Potenzial.

15:30 Uhr: Anschließend spricht Thaer Ayoub mit Ali Al Kurdi, der aus seinem Roman „Der Schamaya-Palast“ auf arabisch lesen wird, Thaer liest die deutsche Übersetzung von Larissa Bender.

Der Roman erzählt, was noch kein anderer vor ihm getan hat: vom Leben palästinensischer Flüchtlinge in einem Haus im jüdischen Viertel von Damaskus. Der Roman erzählt vom Elend der palästinensischen Flüchtlinge, von der Lage der syrischen Juden nach der Gründung Israels, vom alltäglichen Leben der Leute in Damaskus und von Liebesgeschichten zwischen Flüchtlingen und jüdischen Frauen. Ali Al-Kurdi, geb. 1953 in Damaskus, ist ein palästinensischer Schriftsteller und Journalist. Aufgrund seiner politisch-kulturellen Tätigkeiten und seiner Nähe zur linken Bewegung in Syrien stand er ab den 70er Jahren im Visier der syrischen Geheimdienste und wurde mehrfach zum politischen Gefangenen. 1998 veröffentlichte er auf arabisch den Kurzgeschichten-Band »Die Parade der Wildenten«, 2010 erschien dann mit »Der Schamaya-Palast« sein erster Roman. Heute lebt Ali Al-Kurdi in Weimar. Thaer Ayoub, im April 1989 in Syrien, Aleppo, geboren, lebte seit 2015 einige Jahre in Chemnitz und half seit 2021 bei der Organisation des jüdisch-muslimischen Dialogs in Chemnitz. Inzwischen hat er einen Master in Arabistik an der FU Berlin gemacht und insgesamt fünf Poesie- Bücher auf deutsch veröffentlicht.

17:00 Uhr: Die tighte 4-piece Band Yemen Blues mit einer Hammer-Rhythmussektion spielt live eine mitreißende Musik, die jedes Publikum begeistert; eine großartige, moderne Mischung aus traditionellen, orientalischen Melodien und Funk, Blues, Rock und Soul. Der charismatische Sänger Ravid Kahalani ist jemenitischer Abstammung und hat erstklassige Musiker mit Wurzeln aus allen Teilen der Welt um sich geschart. Yemen Blues scheint eine ungewöhnliche Anziehungskraft zu besitzen, denn obwohl ihr letztes Album schon einige Zeit zurückliegt, haben sie auf über 300 Konzerten in den letzten Jahren ein zahlreiches Publikum gefunden.

18:00 Uhr: Im Gespräch zwischen Mati Shemoelof, Nirit Sommerfeld und Yamima Hadad wird die Geschichte der mizrachischen Juden aus israelischer und diasporischer Perspektive besprochen. Die Mizrachim, die „Östlichen", sind Jüdinnen und Juden mit arabischen Wurzeln von Marokko über Tunesien und Yemen bis in den Irak und Iran.

Nirit Sommerfeld ist in Israel geboren und mit acht Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen. Ihre Mutter, in Jerusalem 1937 als jüdische Palästinenserin geboren, hat marokkanische Wurzeln; der Vater wurde 1919 in Chemnitz geboren und emigrierte 1937 nach Palästina. In dieser nicht seltenen Verbindung zwischen sephardischen und aschkenasischen Juden spiegelt sich das Spannungsfeld wider, in dem Nirit aufgewachsen ist. Sehr viel später erst begriff sie, wie weit sich Juden untereinander aufgrund ihrer Herkunft voneinander entfernt erleben. Darüber wird die Schauspielerin, Sängerin und Autorin sprechen und aus einigen ausgewählten Texten lesen.

Mati Shemoelof ist ein arabisch-jüdischer Autor aus Haifa, der seit einigen Jahren in Berlin lebt. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, die meisten davon Gedichtbände, aber auch eine Kurzgeschichten- sammlung, einen Essayband und einen Roman. Er beschreibt seine persönliche und künstlerische Mission darin Ungerechtigkeiten und Diskriminierung zu beleuchten und den Status quo zu stören. Sein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft sucht stets nach neuen, frischen Lösungen für die Gegenwart und ist bemüht bestehende kulturelle Gräben zu überbrücken.

Yemima Hadad hat die Juniorprofessur für Judaistik an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig inne. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich des modernen jüdischen Denkens, der deutsch-jüdischen Philosophie, der kontinentalen Philosophie, der politischen Theologie und des jüdischen Feminismus.

19:30 Uhr: Riff Cohen ist eine Indie-Musikerin, Singer-Songwriterin, Texterin und Komponistin. Riff Cohen wurde 1984 in Tel Aviv geboren und erhielt schon früh eine Ausbildung in Musik und Performance-Kunst. In ihre Musik fließen persische, türkische, irakische, marokkanische, algerische und berberische Einflüsse sowie Elemente der israelischen orientalischen Musik der 90er Jahre ein. Riff hat sich über die Jahre, weltweit ein breites und vielfältiges Publikum, sowohl weltlich als auch religiös, gewonnen und ist in Europa, der Türkei, Dubai, Israel, Jordanien, Indien und anderen Ländern aufgetreten.

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